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"Wir sind Zeugen eines noch nie da gewesenen gewaltigen Zusammenpralls unserer Zivilisation mit der Erde" (S. 214) Oder: "Alles was wir der Natur antun, tun wir uns selbst an. Die Umweltzerstörung hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das kaum jemand für möglich hielt. Die Wunden heilen nicht mehr von allein. Wir müssen entschlossen handeln, um weitere Schäden zu verhindern." (S. 161). Al Gore, unter Jimmy Carter Vize-Präsident der USA, hat nach der umstrittenen Niederlage gegen George W. Bush der Politik den Rücken gekehrt, um sich dem Kampf gegen den globalern Klimawandel zu widmen. Dass er dabei in Bild und Wort - der hier vorgestellte Band fasst den gleichnamigen Film auf authentische Weise zusammen - das Tun und Lassen der Wohlstandsnationen für die zwar schleichende, aber zunehmend offensichtliche und bedrohliche Entwicklung in aller Welt hauptverantwortlich macht und zu entschlossenem Handeln mahnt, findet weitum Sympathie und Zustimmung. Nicht zu überhören sind allerdings auch jene die Stimmen, die die Wirkung allzu deutlicher Vorbehalte und Schuldzuweisungen für wenig zielführend halten. Ist dieser Einwand in Anbetracht der Daten und Fakten indes angebracht? Eindringlichere Bilder, Daten und Fakten sind wohl kaum vorzulegen, um den Nachweis zu erbringen, dass der Zivilisationsprozess die ökologischen und sozialen Krisen weltweit maßgeblich bedingt. Drei Faktoren sind, so Gore, für die aktuelle Entwicklung verantwortlich: das dramatische Anwachsen der Weltbevölkerung, der technologische Fortschritt (und der gesteigerte Zugriff auf die Ressourcen des Planeten) sowie - und vor allem - die Tendenz, daraus resultierende Negativentwicklungen schlichtweg zu verdrängen. Ob in Folge der Klimaerwärmung vom Schmelzen der Polkappen, der dramatisch zunehmenden Wüstenbildung, dem unkontrollierten Wachstum der Mega-Städte, dem Artensterben oder der an Zahl und Gewalt deutlich ansteigenden Zahl von Wirbelstürmen die Rede ist: Für Gore steht außer Zweifel, dass vor allem die USA in die Agenda Klimaschutzes eingebunden sind, da sie nachweislich den größten Einfluss auf die Entwicklung nehmen: Mit einem Anteil von nicht weniger als 30,3 % der klimaschädigenden Treibhausgase weltweit (vor allem CO2 und Methan) liegen allein die Vereinigten Staaten über den Emissionen von Südamerika, Afrika, dem Nahen Osten, Australien, Japan und Asien zusammengenommen. Europa - das sich immerhin zum Vollzug der Kyoto-Protokolls - ohne die Zielvorgaben freilich auch nur annähernd zu erreichen - kommt immerhin auf 27,7%. Gore, der fundierte wissenschaftliche Befunde vorlegt, ausführlich über seine einschlägige Ausbildung und die in allen Erdteilen gesammelten Erfahrungen berichtet, gibt - das mag für europäische Leser irritieren - vorbehaltlos Einblick in die persönlich-familiären Beweggründe für sein Engagement. Diese Offenheit liegt in der Tradition angelsächsischer Sachbücher, deren Vorzüge diese Publikation in hohem Maße vereint. An Verständlichkeit und unmittelbarer Wirkung, zu der die geradezu opulente Aufmachung entscheidend beiträgt, ist dieser Band kaum zu überbieten, was zum Verständnis der Materie entscheidend beiträgt. Nach der Analyse lädt ein umfassender Praxisteil (mit vom deutschen Verlag ergänzten einschlägigen Links und Adressen dazu ein, sich den Herausforderungen auch persönlich durch eine bewusste Lebensführung bis hin zu politischem Engagement zu stellen: Auch wenn die Dimensionen des Klimawandels komplex und deren unmittelbaren Auswirkungen noch so fern sein mögen: Wir alle - so die finale Botschaft - sind aufgefordert und in der Lage ihr zu begegnen, auch wenn noch viel Fragen offen und manche Zusammenhänge nicht geklärt sind. Wie sagte doch Mark Twain: "Nicht das, was wir nicht wissen, bringt uns zu Fall, sondern das, was wir fälschlicherweise zu wissen glauben." *Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen* Walter Spielmann |